Projekt

Dialogisches Erinnern

Die Wahrnehmung der eigenen Geschichte hat einen wichtigen Stellenwert für das Selbstbild und die Beziehungen zu den Nachbarn, gerade im Alpen-Adria Raum. Doch nach wie vor existieren nicht nur in Kärnten, sondern auch in Slowenien und Friaul-Julisch Venetien unhinterfragte nationalistische Narrative. In der Vergangenheit haben sich diese Vorstellungen, die die jeweils „Anderen“ als Bedrohung wahrnehmen, immer wieder gegenseitig verstärkt.

 

Dem wollen wir mit der Ausarbeitung gemeinsamer, multiperspektivischer Materialen für den Schulunterricht entgegenwirken. Wir wollen grenzübergreifend ein nicht nur post-nationalistisches, sondern ein transnationales Geschichtsverständnis erarbeiten. Es gilt, der Jugend und der Zivilgesellschaft die Chancen des gemeinsamen Erbes im Alpen-Adria Raum bewusst zu machen. Dazu wird „dialogisches Erinnern“ praktiziert: In einer post-nationalistischen gemeinsamen Regionalgeschichte des Alpen-Adria Raumes wird zu einer kritischen Analyse historischer Quellen angeregt und damit das eigene Geschichtsverständnis herausgefordert. Konflikte werden keinesfalls ausgespart, sondern es werden unterschiedliche Perspektiven und Narrative einander gegenübergestellt und erst einmal sichtbar gemacht. So kann sich Empathie für den Standpunkt der „Anderen“ entwickeln, Vertrauen und Einsicht können wachsen – ein ergebnisoffener Prozess.

Vor dem Projekt: Ausgangsüberlegungen PDF

Nach dem Projekt: Grundsatzerklärung PDF

Erfahren Sie mehr über Dialogisches Erinnern

Was bedeutet unser Projekt

Die Projektdaten
Zielsetzungen und Aufgaben
Zeitplan & Methodik
Lehren von und für Dialogprojekte
Dialogisches Erinnern als produktive Irritation
Jenseits von Verabsolutieren und Relativieren: “Relationieren”

Die Projektdaten

 

  • Dauer: zwei Jahre (Jänner 2022 – Dezember 2023)
  • Finanzierung: Österreichisches Bundeskanzleramt, Mittel für Volksgruppenförderung („Abstimmungsspende“)
  • Geplante Ergebnisse:
    • Kommentierte Unterrichtsmaterialien aus den drei Ländern – mit einem Überblick über ihre Verwendung
    • Best-Practice-Beispiele zu ausgewählten Themen
    • Eine vergleichende Studie über die Erfahrungen mit dialogischem Erinnern in der AA-Region
    • Eine Grundsatzerklärung zu dialogischem Erinnern im Alpen-Adria-Raum
    • Eine Online-Plattform für die Dokumentation der Ergebnisse
    • Historischer Schwerpunkt: die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg – aber auch andere Erfahrungen werden berücksichtigt

Zielsetzungen und Aufgaben

  1. Kommentierte Unterrichtsmaterialien aus den drei Ländern – mit einem Überblick über ihre Verwendung
  • Sammlung von Lehrbüchern, wenn möglich mit Kommentaren zu deren Verwendung
  • Vergleich der Schulbücher der drei Länder (Rahmen, Inhalt, Ideologie) mit Schwerpunkt auf der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, ggf. Übersetzung in die beiden anderen Sprachen, Interpretation (Ausarbeitung eines gemeinsamen Analyserasters)
  • Wenn möglich, Vorschläge für eine multiperspektivische Sichtweise in jedem Land
  1. Best-Practice-Beispiele zu ausgewählten Themen: alle Erfahrungen mit einem transnationalen Ansatz sind willkommen!
  2. Eine vergleichende Studie über die Erfahrungen mit dialogischem Erinnern in der AA-Region; basierend auf
  • Diskussionen in gemeinsamen Workshops und
  • veröffentlichten Materialien
  1. Eine Grundsatzerklärung zu dialogischem Erinnern im AA-Raum. In der letzten Phase des Projekts soll eine Zusammenfassung aller Erfahrungen erstellt werden
  2. Eine digitale Plattform (Website) für die Dokumentation (Ergebnisse von Workshops, Vergleich von Materialien aus den drei Ländern, etc.)

Zeitplan & Methodik

  • Vorbereitungsphase (Herbst/Winter 2021/22): Konzept, grundlegende Dokumente, Suche nach Mitwirkenden und Erstellen einer Arbeitsmethodik
  • Erste Phase (Frühjahr/Sommer 2022): Aufbau von drei Arbeitsgruppen (Italien, Slowenien und Österreich), drei Workshops (auf nationaler Ebene), Sammlung von Unterrichtsmaterialien und Erfahrungen, theoretischen Konzepten usw., Start der Online-Plattform;
  • Zweite Phase (Herbst/Winter 2022/23): Vergleich der ersten gesammelten Materialien; erster transnationaler Workshop am 1. Oktober (Klagenfurt/Celovec); Einrichtung von transnationalen Arbeitsgruppen;
  • Dritte Phase (Frühjahr/Sommer 2023): transnationale Ausarbeitung von Materialien, sofern schon möglich: Testläufe in Schulklassen (oder anderen Kontexten)
  • Abschlussphase (Herbst/Winter 2023): zweiter transnationaler Workshop; Überprüfung der Qualität der neuen Materialien, Testläufe in Schulklassen, Ausarbeitung von theoretischen Texten und öffentliche Präsentation der Ergebnisse;

Lehren von und für Dialogprojekte

  • Das Leiden des Einen hebt das Leiden des Anderen nicht auf
  • Eine erlittene Ungerechtigkeit rechtfertigt keine weitere Ungerechtigkeit
  • Man kann für eine gerechte Sache kämpfen und trotzdem ein Unrecht begehen
  • Eine gerechte Sache bleibt gerecht, auch wenn ihre Verfechter Fehler machen
  • Bei der Vergangenheitsbewältigung geht es nicht nur um den Blick zurück, sondern auch um den Aufbau von Beziehungen zwischen den Generationen
  • Es geht darum, die Gegenwart zu verstehen und an der Zukunft zu arbeiten: lokal, regional und kosmopolitisch
  • Jeder Fortschritt in der Erinnerungspolitik ist das Ergebnis ernsthafter Dialoge
  • Alpen-Adria ist keine Nostalgie für die Vergangenheit, sondern ein Friedensprojekt für die Zukunft

Dialogisches Erinnern als produktive Irritation (“Verfremdung”) und Lernerfahrung

  • Kultur des Konflikts & Kultur des Friedens erlernen
  • Das Leiden der anderen Seite ernst nehmen
  • Akzeptieren und Zurückweisen der „falschen“ Erinnerung des anderen (Legitimität – Wahrheit)
  • Neue Dinge annehmen, das eigene Narrativ ändern, Selbstkritik
  • Konflikt und Aufrechterhaltung unterschiedlicher Positionen
  • Fronten brechen, aber Fronten bleiben auch („aufheben“ bzw. transzendieren)

Jenseits von Verabsolutieren und Relativieren: “Relationieren”

  • Durch dialogische Gegenüberstellung sollen Narrative zueinander in Beziehung gesetzt („relationiert“) werden
  • Widersprüchliche Narrative werden dadurch „aufgehoben“ (transzendiert) > sie brauchen/benötigen/bedingen einander

Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte: vom Prinzip der Exklusion zur Koexistenz > Koexistenz statt Konkurrenz oder Kompromiss