Projekt
Dialogisches Erinnern
Die Wahrnehmung der eigenen Geschichte hat einen wichtigen Stellenwert für das Selbstbild und die Beziehungen zu den Nachbarn, gerade im Alpen-Adria Raum. Doch nach wie vor existieren nicht nur in Kärnten, sondern auch in Slowenien und Friaul-Julisch Venetien unhinterfragte nationalistische Narrative. In der Vergangenheit haben sich diese Vorstellungen, die die jeweils „Anderen“ als Bedrohung wahrnehmen, immer wieder gegenseitig verstärkt.
Dem wollen wir mit der Ausarbeitung gemeinsamer, multiperspektivischer Materialen für den Schulunterricht entgegenwirken. Wir wollen grenzübergreifend ein nicht nur post-nationalistisches, sondern ein transnationales Geschichtsverständnis erarbeiten. Es gilt, der Jugend und der Zivilgesellschaft die Chancen des gemeinsamen Erbes im Alpen-Adria Raum bewusst zu machen. Dazu wird „dialogisches Erinnern“ praktiziert: In einer post-nationalistischen gemeinsamen Regionalgeschichte des Alpen-Adria Raumes wird zu einer kritischen Analyse historischer Quellen angeregt und damit das eigene Geschichtsverständnis herausgefordert. Konflikte werden keinesfalls ausgespart, sondern es werden unterschiedliche Perspektiven und Narrative einander gegenübergestellt und erst einmal sichtbar gemacht. So kann sich Empathie für den Standpunkt der „Anderen“ entwickeln, Vertrauen und Einsicht können wachsen – ein ergebnisoffener Prozess.
Vor dem Projekt: Ausgangsüberlegungen PDF
Nach dem Projekt: Grundsatzerklärung PDF
Erfahren Sie mehr über Dialogisches Erinnern
Was bedeutet unser Projekt
Die Projektdaten
- Dauer Projektabschnitt eins: Jänner 2022 – März 2024
- Finanzierung: Bundeskanzleramt Österreich
- Geplante Ergebnisse:
- Kommentierte Unterrichtsmaterialien aus den drei Ländern Österreich, Italien, Slowenien
- Good-Practice-Beispiele zu ausgewählten, bereits verwendeten didaktischen Materialien
- Eine vergleichende Studie über Erfahrungen mit dialogischem Erinnern in der Alpen-Adria-Region
- Eine Grundsatzerklärung zum dialogischen Erinnern in der Alpen-Adria-Region
- Eine Online-Plattform für die Dokumentation der Ergebnisse und die Veröffentlichung der neuen Materialien
- Dauer Projektabschnitt zwei: September 2023 – Dezember 2024
- Finanzierung: Bundeskanzleramt Österreich
- Geplante Ergebnisse:
- Entwicklung der Lehrer*innenanfortbildungen an der Pädagogischen Hochschule in Kärnten/Koroška
- Kontinuierliches Erproben und Evaluieren der transnationalen Unterrichtseinheiten bzw. -materialien
- Aufwertung/Erweiterung der bestehenden Website „dialogischeserinnern.at“ (bzw. „dialoškospominjanje.si“ sowie „lamemoriadialogica.it“) – mehrsprachige Darstellung der Ergebnisse auf der Online-Plattform


Zielsetzungen und Aufgaben
- Unterrichtsmaterialien aus den drei Ländern – mit einem Überblick über ihre Verwendung
- Sammlung von Schulbüchern, wenn möglich mit Kommentaren zu deren Verwendung
- Vergleich von Schulbüchern in den drei Ländern (Rahmen, Inhalt, Ideologie)
- Diskussionen zu Erfahrungen mit dialogischem Erinnern in der Alpen-Adria-Region
- Überblick über bisherige Lehrer*innenanfortbildungen
- Weiterbildungsangebote für Lehrer*innen in Kärnten/Koroška, Erarbeitung von Vorschlägen für die Weiterentwicklung und Rekonzeptualisierung
- Durchführung mehrerer Schulprojekte zu den im Projekt neu konzeptualisierten Fort- und Weiterbildungsangeboten sowie der neuen didaktischen Unterrichtsmaterialien
- Evaluation und Verbesserung der didaktischen Materialien mithilfe der im Projekt teilnehmenden Lehrkräfte
- Erweiterung der bestehenden Website „dialogischeserinnern.at“ (bzw. „dialoškospominjanje.si“ sowie „lamemoriadialogica.it“) – mehrsprachige Darstellung der Ergebnisse auf der Online-Plattform
Chronologie Projektabschnitt eins:
- Vorbereitungsphase (Herbst/Winter 2021/22): Konzeptualisierung, Hintergrunddokumente, Suche nach Projektteilnehmer*innen und Erstellung der Arbeitsmethodik
- Erste Phase (Frühjahr/Sommer 2022): Einrichtung von drei Arbeitsgruppen (Italien, Slowenien und Österreich), drei Workshops (landesweit), Sammlung von Unterrichtsmaterialien und Erfahrungen, theoretischen Konzepten usw. und Start der Online-Plattform
- Zweite Phase (Herbst/Winter 2022/23): Vergleich der ersten gesammelten Materialien, erster transnationaler Workshop am 1. Oktober (Klagenfurt/Celovec), Einrichtung von transnationalen Arbeitsgruppen
- Dritte Phase (Frühjahr/Sommer 2023): Transnationale Bearbeitung der Materialien, falls bereits möglich: Erprobung in Schulklassen (oder anderen Kontexten)
- Endphase (Herbst/Winter 2023): Zweiter transnationaler Workshop, Erprobung der Qualität der neuen Materialien, Erprobung in Schulklassen, Ausarbeitung von theoretischen Texten und öffentliche Präsentation der Ergebnisse
Chronologie Projektabschnitt zwei:
- Erste Phase (September – Dezember 2023):
Evaluation und Entwicklung von Lehrer*innenangeboten in Kärnten/Koroška in Hinblick auf im Vorläuferprojekt erarbeitete Konzepte und Aspekte transnationaler und inklusiver Erinnerungskulturen sowie des „dialogischen Erinnerns“
- Zweite Phase (Jänner 2024 – Juni 2024): Abhaltung neuer Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrer*innen in Kärnten/Koroška sowie Erprobung und Evaluierung neuer der Unterrichtseinheiten bzw. -materialien
- Dritte Phase (Juli 2024 – September 2024): Wissenschaftliche Abschlussevaluationen, Reflexionsmeeting mit der Peer-Group mit Fokus auf die Erarbeitung von Empfehlungen und konkreten Weiterentwicklung der Materialien
- Vierte Phase (Oktober 2024 – Dezember 2024): Aufbereitung der Ergebnisse als Beiträge für wissenschaftliche Publikationen, Dissemination, Darstellung der Ergebnisse auf der Website „dialogischeserinnern.at“ (bzw. „dialoškospominjanje.si“ sowie „lamemoriadialogica.it“), Präsentation der Ergebnisse


Lehren von und für Dialogprojekte
- Das Leiden des Einen hebt das Leiden des Anderen nicht auf
- Eine erlittene Ungerechtigkeit rechtfertigt keine weitere Ungerechtigkeit
- Man kann für eine gerechte Sache kämpfen und trotzdem ein Unrecht begehen
- Eine gerechte Sache bleibt gerecht, auch wenn ihre Verfechter Fehler machen
- Bei der Vergangenheitsbewältigung geht es nicht nur um den Blick zurück, sondern auch um den Aufbau von Beziehungen zwischen den Generationen
- Es geht darum, die Gegenwart zu verstehen und an der Zukunft zu arbeiten: lokal, regional und kosmopolitisch
- Jeder Fortschritt in der Erinnerungspolitik ist das Ergebnis ernsthafter Dialoge
- Alpen-Adria ist keine Nostalgie für die Vergangenheit, sondern ein Friedensprojekt für die Zukunft
Dialogisches Erinnern als produktive Irritation (“Verfremdung”) und Lernerfahrung
- Kultur des Konflikts & Kultur des Friedens erlernen
- Das Leiden der anderen Seite ernst nehmen
- Akzeptieren und Zurückweisen der „falschen“ Erinnerung des anderen (Legitimität – Wahrheit)
- Neue Dinge annehmen, das eigene Narrativ ändern, Selbstkritik
- Konflikt und Aufrechterhaltung unterschiedlicher Positionen
- Fronten brechen, aber Fronten bleiben auch („aufheben“ bzw. transzendieren)


Jenseits von Verabsolutieren und Relativieren: “Relationieren”
- Durch dialogische Gegenüberstellung sollen Narrative zueinander in Beziehung gesetzt („relationiert“) werden
- Widersprüchliche Narrative werden dadurch „aufgehoben“ (transzendiert) > sie brauchen/benötigen/bedingen einander
Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte: vom Prinzip der Exklusion zur Koexistenz > Koexistenz statt Konkurrenz oder Kompromiss